52A1451Jürgen Weiss sprach mit Dr. Gert Polli, dem Gründer des Österreichischen Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), über die Entwicklung der Geheimdienste in den letzten 20 Jahren und über die neuen Herausforderungen in der Zukunft. Das Interview wurde bereits am 20. Jänner 2016 geführt.

Wie haben Sie die Veränderungen der letzten 20 Jahre bei den Geheimdiensten erlebt? Was waren die größten Veränderungen, nicht nur finanzieller Natur? Welche Ereignisse waren entscheidend? Stehen Sie den Veränderungen positiv gegenüber?

Zwanzig Jahre sind eine lange Zeit und reichen bis Mitte der 1990er Jahre zurück. Zu dieser Zeit waren die Geheimdienste der westlichen Hemisphäre noch damit beschäftigt, das Ende des Kalten Krieges zu verdauen. Neue Beschäftigungsfelder mussten gefunden werden. Fündig wurde man schließlich in Aufklärungsbereichen wie Wirtschaftsund Industriespionage, Abwehr von Proliferation, organisierte Kriminalität und damals wurden auch die Weichen für die Massenüberwachung gestellt, wie wir sie seit den Veröffentlichungen durch Snowden kennen.

In dieser Zeit war das Thema Terrorabwehr in den Diensten präsent, hatte jedoch keine Priorität. Das änderte sich jedoch schlagartig mit den Angriffen auf die USA am 9. September
2001 durch die Al Kaida. Ab diesem Zeitpunkt wurden die Dienste weltweit auf das Thema Terrorismusbekämpfung hin optimiert und mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet. Diese Befugnisse wurden bis heute kontinuierlich ausgeweitet und nicht nur zur Terrorbekämpfung eingesetzt.

Der Kampf gegen den Terrorismus und die fast weltweite Allianz unter der Führung der USA wurde auch dazu genutzt, amerikanische Politik und Weltanschauung, Wirtschaftsund monetäre Ansätze durchzusetzen. Nicht nur die amerikanischen Dienste waren willfährige Erfüllungsgehilfen einer Agenda, die mit Terrorismusbekämpfung nur mehr am Rande zu tun hatte. Beispiele für das nicht immer glückliche Engagement der Dienste gibt es genug: der Einmarsch im Irak, das militärische Engagement in Libyen, die Rolle der Dienste in den Ländern des arabischen Frühling und nicht zu vergessen, die Rolle der westlichen Dienste in der Ukraine, die schließlich den Regierungswechsel begünstigte. Das brisanteste und wohl auch für Europa wichtigste Betätigungsfeld der Dienste heute ist ihre Rolle im Syrienkonflikt. Mit den Konsequenzen dieses Engagements sind wir heute in vielfältigster Weise in Europa konfrontiert; nicht nur durch das Thema Flüchtlinge und Terrorismus. Das sind einige der bekannt gewordenen Lichtund Schattenseiten der (Geheim)Dienste innerhalb der letzten 20 Jahren.

Wie effizient sind die Geheimdienste in Europa und Nordamerika? Kann man terroristische Anschläge überhaupt verhindern? Wie sieht die Erfolgsquote aus? Wie stehen Sie zu medialen Berichte, in denen immer wieder das Muster zu erkennen ist, dass die Dienste die Terroristen bereits kannten, bevor diese die Anschläge begingen?

Wie effizient Geheimdienste in der Verhinderung von Anschlägen tatsächlich sind, kann niemand verlässlich sagen. Selbst die mit der Kontrolle der  Dienste  beauftragten  parlamentarischen und außerparlamentarischen Gremien sind dazu nicht in der Lage, schon gar nicht die Politik. Der Grund dafür liegt einfach darin, dass man letztlich nie sicher sein kann, ob ein Anschlag tatsächlich verhindert wurde oder ob es sich hier schlicht um einen Fehlalarm handelte. Es liegt in der Natur der Geheimdienste, Gefährdungslagen aufzubauschen, und es liegt in der Natur der Politik, robuste Sicherheitsmaßnahmen in Verdachtslagen zu billigen, um nur nicht in den Verdacht zu kommen, für die Konsequenzen eines Anschlages politisch verantwortlich gemacht werden zu können. Genau dieser Mechanismus ist der Kreislauf der Wechselwirkung zwischen Terrorabwehr und politischer Verantwortung. In der Bedienung dieses Mechanismus sind die Dienste wahre Meister.

Die über die Medien suggerierte Bedrohungslage über die Weihnachtsund Neujahrstage sind eines von vielen Beispielen, aus denen nie klar abgeleitet werden kann, wie real eine Bedrohung tatsächlich ist. Die vielgerühmte internationale Zusammenarbeit der Dienste hat  auch ihre Schwächen, die in den unspezifischen Terrorwarnungen ihren Niederschlag finden, nämlich, dass Informationsund Bedrohungslagen von anderen Diensten kaum zeitnah verifiziert werden können und trotzdem nicht negiert werden dürfen. Somit bleibt nur das Instrumentarium der präventiven Maßnahmen. Wir spüren dies, wenn unsere Bewegungsfreiheit eingeschränkt wird oder wenn wir mit einem Gefühl des Unbehagens an Großveranstaltungen teilnehmen oder wenn wir Überwachungsgesetze verabschieden und dies mit einer diffusen Bedrohungslage rechtfertigen.

In der Tat haben wir es in Europa mit einer terroristischen Gefährdungslage einer neuen Qualität zu tun. Dienste haben einen entscheidenden Anteil im Bereich der Verhinderung solcher Straftaten, das ist unbestritten. Genau dafür haben sie besondere Befugnisse und Mechanismen zur Verfügung. Eine Quantifizierung von verhinderten Anschlägen oder gar eine Statistik existiert natürlich nicht, ebenso wenig eine Statistik über vermeidliche Fehlalarme. Behörden können immer damit argumentieren, dass die veranlassten Maßnahmen der Grund dafür waren, dass ein geplanter Anschlag nicht stattfand. Tatsächlich ist das wiederholt nachweisbar. Köln ist ein anderes Beispiel dafür, dass das Lagebild der Sicherheitsbehörden zu kurz gegriffen hat. Ein anderes Beispiel ist das aufgrund einer nicht verifizierbaren Bedrohungslage abgesagte Länderspiel Deutschland gegen Niederlande im November vergangenen Jahres.

Auffällig allerdings ist, dass in den meisten dieser Fälle die Arbeit der Dienste öffentlich nicht bekannt wird. Wenn man der Arbeit von Diensten skeptisch  gegenübersteht,  wird  schnell  klar, dass der schlagkräftigste Schutzmechanismus der Nachrichtendienste vor Kritik aller Art ihr gepflegter Nimbus der Geheimhaltung ist. Ein Schutzmechanismus, vor allem gegenüber der Öffentlichkeit und gegenüber den Medien.

In den Medien wird regelmäßig darüber berichtet, dass die Attentäter den Behörden bekannt waren. Man leitet daraus die Unfähigkeit des Sicherheitsapparates ab, effektive Schutzmaßnahmen gesetzt zu haben. Eine genauere Analyse rechtfertigt meist solche Vorwürfe nicht. Insbesondere dort, wo die Anzahl potentieller Verdächtiger die personellen, materiellen und technischen Möglichkeiten der Überwacher übersteigt, hat sich ein erhebliches Sicherheitsrisiko etabliert. Paris und Brüssel sind Beispiele dafür. Ebenso entspricht der Angriff auf eine deutsche Reisegruppe in Istanbul diesem Muster. Es spricht vieles dafür, dass der Attentäter am Radar des türkischen Nachrichtendienste MIT war, dass das Attentat aber trotzdem nicht verhindert werden konnte.

Sind Geheimdienste notwendig oder wäre die Welt ohne sie genauso sicher oder unsicher? Was halten Sie von Statistiken, nach denen man in den USA eher Opfer eines herunterfallenden Fernsehers als eines terroristischen Anschlags wird?

Die Waffen der Geheimdienste sind die Gewinnung belastbarer Informationen, die für politische Entscheidungsträger von Relevanz sind. Information und Desinformation ist die Welt, in der sich Dienste bewegen. Die Benutzung der Medien für Information und Desinformation ist das Schachbrett, auf dem dieses Match stattfindet.

Viele kleinere Länder verfügen über Polizei, jedoch nicht über einen (Geheim)Dienst. Auch die Europäische Union ist erst in den Anfängen zur Etablierung eines solchen Apparates. Österreich war übrigens der erste EU-Staat, der im Februar
2004 im Rahmen des EU-Rates für Justiz und Inneres die Schaffung eines eigenen Europäischen Geheimdienst (EIA–European Intelligence Agency) einbrachte, um terroristische Bedrohungen im Vorfeld besser erkennen zu können.

Klassische Geheimdienste sind in jenen Ländern anzutreffen, wo es ein ausgeprägtes nationales Interesse gibt und auch den Willen dieses durchzusetzen. All das hat nur bedingt mit Terrorismusbekämpfung und mit Diensten an sich zu tun. Terrorismusbekämpfung heute hat mit Spracherkennung, Algorithmen, Verschlüsselung ebenso zu tun wie mit dem Drohnenkrieg, der Geldwäsche und der Satellitenaufklärung.

Westeuropäische Dienste erhalten ihre Aufgabenstellungen schon lange nicht mehr von ihren politischen Entscheidungsträgern. Wie weit das geht, wurde in Deutschland bekannt, wonach der BND auch deutsche Wirtschaftsziele im Auftrag der amerikanischen NSA ausspionierte. Alles im Lichte der Terrorbekämpfung und am deutschen Kanzleramt vorbei.

Wenn zum Thema Dienste in diesem Zusammenhang eine kritische Anmerkung angebracht ist, dann jene, dass „Human Intelligence“ (gemeint ist das Generieren von Informationen im Wege von Informanten) heute eine allzu sehr vernachlässigte Dimension der Informationsgewinnung darstellt. Wie sonst wäre es erklärbar, dass die größten Widerstände für die Verabschiedung des Staatsschutzgesetzes darin bestehen, das Informantenwesen zu beschneiden, die seit Jahrzehnten aktive Überwachungsstation der NSA im Burgenland jedoch zu ignorieren.

Wenn Sie alleine entscheiden könnten, wie würden Sie die geheimdienstliche Situation in Österreich bzw. weltweit gestalten?

Wir sind ein kleiner Staat mit noch kleineren außenpolitischen Ambitionen. Daran ändert auch ein sehr junger ambitionierter Außenminister wenig. Ich glaube daher nicht, dass Österreich einen klassischen Geheimdienst braucht. Wir verfügen mit dem Heeresnachrichtenamt, dem Abwehramt, dem Bundeskriminalamt und dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) über vier Institutionen, die mit dem Thema Terrorismusbekämpfung direkt und indirekt befasst sind. Jedoch geht durch dieses Nebeneinander (und auch gelegentliches Gegeneinander) vieles an Information und Expertise verloren.

Daher spricht auch vieles dafür, jene organisatorische Teile zusammenzuführen, die jetzt schon mit der Kernaufgabe der Terrorismusund Extremismusprävention befasst sind; damit meine ich die organisatorische Verschmelzung der Analyse aus dem Heeresnachrichtenamt mit jener der Ermittlungskompetenz des BVT. Eine wie bisher gelebte Trennung zwischen inlandsund auslandsbezogenen Aufgaben ist nicht mehr argumentierbar. Eine Zusammenführung dieser Kompetenzen unter einem gemeinsamen Dach ist schon lange überfällig.

Der gerichtliche Staatsschutz wird vom BVT zum Bundeskriminalamt verlagert. Das hat den enormen Vorteil, dass das BVT von der zeitintensiven Zuarbeit für die Justiz befreit ist und die frei werdenden Ressourcen für die bedrohungsrelevante Gefährdungslagen einsetzen kann. Dieses einfache wie effiziente Konzept wird derzeit in politischen Zirkeln diskutiert. Mit einem solchen Schritt wird ein längst überfälliges Kompetenzzentrum für herausragende Gefährdungslagen geschaffen und gleichzeitig Doppelgleisigkeiten, Konkurrenz und Sicherheitsrisiken abgebaut. International üblich ist es, eine solche Organisation direkt im Kanzleramt anzusiedeln. Das neue Staatsschutzgesetz setze den ersten Schritt in diese Richtung, bleibt aber auf halbem Wege stecken.

In Österreich: Wie wird man klassischerweise Agent? Wird man rekrutiert oder kann man sich bewerben? Welche Charaktereigenschaften, welchen Bildungsweg braucht es dafür? Wie sieht die Ausbildung aus? Wie der Alltag? Ist es das abenteuerliche Leben, das sich viele darunter vorstellen?

Aufgrund des Umstandes, dass das HNaA im Verteidigungsministerium angesiedelt ist, erfolgt die Personalrekrutierung überwiegend aus diesem Pool. Was das Bundesheer für das HNaA ist, ist die Polizei für das BVT. Für beide gilt, dass eine gezielte Rekrutierung eher die Ausnahme als die Norm darstellt. Die Ausbildung erfolgt in den jeweiligen Organisationseinheiten selbst. Die tägliche Arbeit ist weit von den romantischen Vorstellungen eines Ian Flemings entfernt. Eine operative Arbeit im Ausland findet so gut wie nicht statt. Die Arbeit im Dienst ist vor allem von der Arbeit am Schreibtisch geprägt. Selbst die Ermittlungstätigkeit der Kriminalpolizei im BVT ist überwiegend Schreibtischarbeit im Auftrag der Justiz. Ausnahmen sind Sonderlagen, wie Entführungen österreichischer Staatsbürger im Ausland oder Fachgespräche mit Kollegen anderer Dienste.

Richtig allerdings ist, dass die langjährige Arbeit in einem der österreichischen Dienste die eigene politische Wahrnehmung und die Analysefähigkeit in einer Art und Weise beeinflusst wie an keiner anderen österreichischen Dienststelle.

Aufgrund des schon thematischen Naheverhältnisses zwischen Politik und Dienst werden die Leiter meist nach politischen Kriterien besetzt. Was für die Leitungsfunktionen gilt, wird meist als Prinzip bis zu den Referatsleitern fortgesetzt.

Es gilt das Prinzip, je ziviler ein Dienst, desto stärker die politische Einflussnahme im Hinblick auf Rekrutierung und Ernennung auf allen Ebenen. Dass die geübte Praxis nur in Ausnahmefällen mit der erforderlichen fachlichen Qualität in Einklang zu bringen ist, versteht sich von selbst und ist oft genug für das Versagen des Dienstes in sicherheitskritischen Lagen mitverantwortlich.

Was waren die wichtigsten Erkenntnisse zum Thema Geheimdienste, zu denen Sie im Laufe ihres Lebens gekommen sind?

Dienste sind jene Organisationen, in denen man keine Freunde fürs Leben finden kann. Das hängt auch damit zusammen, dass Dienste überwiegend von Interessen gesteuert werden, die sich permanent ändern. Wer lebenslange Loyalität und Freundschaft sucht, sollte sich einen Hund anschaffen, in einem Geheimdienst wird er diese Charaktereigenschaften nicht finden.

Würden Sie einem jungen Menschen nach dem Studium raten, zum österreichischen Geheimdienst zu gehen? Würden Sie selber rückblickend nochmal Geheimdienstler werden? Nennen Sie bitte einige Vorund Nachteile des Berufs.

Erstens, „Geheimdienstler“ ist kein Beruf. Zweitens, eine Rekrutierung unmittelbar nach dem Studium ist keine typische Laufbahn, weder im BVT noch im HNaA. Aus meiner persönlichen Perspektive möchte ich kein Jahr missen, das ich im Dienst verbracht habe; weder meine Zeit im BVT als Leiter dieser Behörde noch als Analytiker im HNaA.

Ich hatte das Privileg, den Konflikt im ehemaligen Jugoslawien, in den 1990er Jahren, hautnah als Mitarbeiter des Dienstes miterleben zu dürfen. Ich hatte damals das befriedigende Gefühl für die Sicherheit der Republik einen kleinen Teil beizutragen. Die Zeit im Innenministerium war noch viel spannender, aber auch herausfordernder und verantwortungsvoller. Ich übernahm die Aufgabe am 01. September 2001, genau 11 Tage vor jenem Ereignis, dessen Konsequenz die Welt veränderte und nach wie vor verändert.

Was die Vor- bzw. Nachteile des Berufs betrifft, sind  diese  je  nach  Funktion  unterschiedlich. Ein Charakteristikum dieses Berufsbildes ist jedoch herausragend: Es ist nicht möglich, über die Inhalte des Berufs mit Freunden oder der Familie zu sprechen. Mit der Zeit stumpft man allerdings ab und meint schließlich, dass der tägliche Wahnsinn nur Routine wäre. Auf die Frage, ob ich rückblickend nochmals denselben Beruf ergreifen würde? Ich hatte eine sehr spannende Zeit mit Einblicken, die anderen verborgen bleiben. Wie man mit diesen Informationen aber umgeht, das ist eine andere Frage.

Wie werden die Dienste in Zukunft arbeiten müssen, um effektiv zu arbeiten? Was sind die größten Herausforderungen der kommenden 30 Jahre?

Dreißig Jahre sind eine zu große Zeitspanne um Entwicklungen vorherzusehen. Dazu ist die Welt der Dienste zu schnelllebig. Zweifelsohne ist die größte Herausforderung für die Dienste in den kommenden Jahren, dass sie mit zunehmendem Extremismus konfrontiert sind, bis hin zu fast unlösbaren Aufgabenstellungen: der Verhinderung terroristischer Straftaten. Dies trifft auf Europa ebenso zu wie auf europäische Interessenslagen außerhalb des Territoriums der Mitgliedstaaten. Noch fehlen uns die richtigen Antworten auf diese Art von Bedrohung.

Im jeweiligen nationalen Bereich besteht die Herausforderung für die Dienste darin, die gefährdungsrelevante Information frühzeitig verfügbar zu haben, unabhängig davon, ob sie von der Polizei oder den Diensten oder anderen staatlichen Stellen oder im Ausland generiert wurden. Der gläserne Mensch und die Digitalisierung von personenbezogenen Informationen zum Zwecke der Gefahrenabwehr ist allerdings eine Gradwanderung zwischen einem Mehr an Sicherheit einerseits, zulasten der Freiheit und Bürgerrechte andererseits. Die Reaktionen des Sicherheitsapparates sind evident: Schon heute ist eine Aufrüstung von Spezialkräften, Polizei und Diensten unübersehbar.

An  der angespannten Sicherheitslage wird sich in den kommenden Jahren wenig ändern. Der Konflikt im Nahen Osten, verbunden mit  einer Politik der offenen Türen für Flüchtlinge aller Art, führen bereits heute in Europa zur Polarisierung der Gesellschaft mit nicht abzusehenden politischen Folgen. Gegenbewegungen entstehen, deren Radikalisierungspotential die Sicherheitsbehörden genauso beschäftigen werden wie die radikal islamischen Strömungen im eigenen Land.

Eine Herausforderung einer ganz anderen Art für Dienste verbirgt sich hinter dem so kritiklos geforderten internationalen Informationsaustausch der Dienste. So wichtig dieses Thema für die Gefahrenabwehr ist, so gefährlich ist dieses Thema auch für die Unabhängigkeit kleiner und größerer europäischer Nachrichtendienste. Schon heute kann die Qualität und Werthaltigkeit ausgetauschter Informationen und Lagebilder kaum objektiv überprüft werden.

Lagebilder aus Krisenregionen, erstellt durch größere Dienste mit spezifischen Interessenslagen, werden von kleineren Diensten routinemäßig übernommen und an die eigene Regierung kritiklos weitergereicht. Auf diese Art und Weise wurden Kriege in der Vergangenheit durch grundfalsche nachrichtendienstliche Informationen und Analysen politisch salonfähig gemacht. Die aktuelle Situation im Irak und Syrien und auch in der Ukraine sind nur einige Beispiele für die unrühmliche Rolle europäischer Dienste, sich als Informationsplattform anderer Interessen missbrauch zu lassen.

Wie sehr alle diese Themen miteinander vernetzt sind und wie intensiv die Dienste diese Entwicklungen beeinflussen, lässt vermuten, dass deren Stellenwert in Zukunft noch zulegen wird. Die größte Herausforderung ist daher, meiner Ansicht nach, die Schaffung einer neuen Qualität innereuropäischer und nationaler nachrichtendienstlicher Zusammenarbeit in einem so sensiblen gesellschaftspolitischen Umfeld wie heute und morgen.

Vielen Dank für das Gespräch!