Dr. Gert PolliGert-René Polli über seine frühere Position als Leiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, über Familie und das Lavanttal.

Wie wird man vom gelernten Tischler im Lavanttal zum Leiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), der Sie von 2002 bis 2008 waren?

GERT-RENÉ POLLI: Naja, indem man als junger Mensch etwas ehrgeiziger ist, als der Durchschnitt. Das Österreichische Bundesheer hat mir die Möglichkeit gegeben zu maturieren. Anschließend habe ich die Ausbildung zum Berufsoffizier an der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt abgeschlossen.


Waren Sie immer auf der Suche nach dem Abenteuer?

POLLI: Nein, ich bin aber Risiken nie aus dem Weg gegangen. Solche Scheidewege gab es mehrmals in meinem Leben. Ich musste für alles kämpfen. Es gab viele Freunde und noch mehr Neider. Das hat mir beruflich manchmal geschadet. Aber risikofreudig bin ich geblieben. Ich kann mir nichts Schrecklicheres vorstellen, als in der Früh in ein Büro zu gehen, am Abend nach Hause und nach 14 Tagen in diesem Trott weiß man nicht mehr, was man vor zwei Tagen gemacht hat.


Teil ihres früheren Berufes waren auch Lösegeldverhandlungen.

POLLI: Ja, aber bei Weitem nicht das Gefährlichste oder Spektakulärste. Der zunehmende Tourismus in instabilen Regionen führte auch dazu, dass Entführungen häufiger vorkamen. Wenn es Lösegeldforderungen gibt, ist es eigentlich halb gelaufen. Problematisch ist es, wenn es keine Spuren gibt. Es kommt nicht so oft vor, dass der Chef einer Behörde selbst in die Region reist, weil der Fall dann zu große mediale Aufmerksamkeit bekommt. Es geht natürlich auch um Erfahrung und persönliche Wertschätzung gegenüber lokalen Behörden, die darüber entscheiden, ob man die Geisel raus bekommt.


Hatten Sie nie Angst?

POLLI: Ich habe Angst, wenn ich in Wien über die Straße gehe. Angst ist ja nichts anderes als das Ungewisse, ausgeliefert oder fremdbestimmt zu sein.


Es liefen während Ihrer Amtszeit Ermittlungen gegen Sie. Sie sollen geheime Dokumente dem Iran zugespielt haben und zu eng mit ihm zusammengearbeitet haben. Was ist daran wahr?

POLLI: Es ist tatsächlich so gewesen, dass aus österreichischen Ministerien angeblich geheime Dokumente in den Iran gewandert sein sollen. Die Ermittlungen haben dazu geführt, dass die Verantwortlichen aufgedeckt wurden. Einer der zentralen Punkte hier war Graz und nicht Wien. Es war schnell klar, dass das Verfahren gegen mich eingestellt wird. Wenn ich das im Nachhinein beurteile, war die Verdachtslage gegen mich geschickt platziert und ich sehe das als eine kleine Retourkutsche von Gefälligkeiten, die ich als Behördenleiter manchen Staaten nicht gewährt habe. Weil sie ungesetzlich waren.


Und warum die engen Kontakte zum Iran?

POLLI: Die Kontakte zum Iran waren nicht enger als zu anderen in Wien tätigen Nachrichtendiensten. Trotzdem, wenn man keinen unmittelbaren Zugang zu bestimmten Regionen hat, sucht man sich andere Kanäle, um Geiseln rauszubekommen. Der Iran war der Republik Österreich auch sehr behilflich, wenn es darum ging, österreichische Staatsbürger aus kritischen Situationen aus dem Irak raus zu holen. Außenpolitisch gesehen war das aber nicht immer unproblematisch. Aus diesem innen- und außenpolitischen Spannungsfeld heraus, war meine damalige Rolle einer der größten Schleudersitze der Republik. Wenn man als Behörde seine Aufgabe wahrnimmt, braucht man die Unterstützung der Politik. Das war ein Problem in Österreich, denn ich hatte fünf Innenminister. Was mit dem ersten vereinbart wurde, hat der letzte nicht mal zur Kenntnis genommen.


Laut Ihrer Aussage ist Wien bis heute das Spionagezentrum geblieben. Warum?

POLLI: Das liegt an einer völlig laxen Gesetzgebung zur Spionagebekämpfung, die überwiegend aus den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts stammt. Alle Versuche, diese Paragrafen adäquat nachzuziehen, muss ich im Nachhinein als gescheitert beurteilen.


Wie war diese Zeit der Ermittlungen für Sie?

POLLI: Es war unangenehm. Aber es gab nie auch nur einen Zweifel daran, dass da etwas hängen bleiben kann. Trotzdem hätte ich eine klare Ansage der dafür zuständigen Politiker zu meiner Entlastung erwartet. Es hat mir beruflich kurzfristig geschadet. Mein Optimismus und mein Unternehmergeist haben sich aufgrund dieser Erfahrung gefestigt.


Wie kam Ihre Familie mit ihrem früheren Beruf zurecht?

POLLI: Ich hatte wenig Zeit für sie. Als eines meiner Kinder getauft wurde, habe ich einen Anruf zum Thema Personenschutz Jörg Haider bekommen und musste die heilige Messe für eine halbe Stunde verlassen. Das war symptomatisch für die gesamte Zeit in dieser Funktion. Ich bin ganz früh aus dem Haus und spät wieder heim. Das Handy war immer neben mir. Jetzt, wo ich selbstständig bin, sehe ich meine Familie öfter.


Über Sie privat weiß man wenig. Wie beschreiben Sie sich?

POLLI: Ich bin gläubiger und praktizierender Katholik. Man sagt von mir, ich wäre ein Einzelgänger und mehr Kopfmensch als emotional. Ich habe ein großes Kontaktnetz, aber wenige wirkliche Freunde. Diese kenne ich aber seit vielen Jahren. Nach wie vor bin ich ehrgeizig, aber inzwischen vorsichtiger und erfahrener.


Aus heutiger Sicht, was würden Sie anders machen?

POLLI: Ich würde vieles anders machen. Meine Freunde sorgfältiger wählen und einen größeren Abstand zur Politik wählen.


Sie sind im Lavanttal aufgewachsen. An was können Sie sich noch erinnern?

POLLI: Bis zum 17. Lebensjahr war ich in St. Paul. Ich kann mich an alles in meiner Kindheit erinnern. An die herrliche Landschaft, die glückliche Zeit, an die Jugendfreunde, den Wald, die Natur und an die Familie.


Können Sie sich noch an Lieblingsplätze im Lavanttal erinnern?

POLLI: Die Burgruine Rabenstein und der Johannesberg. Das ist heute noch genauso schön, wie vor hundert Jahren. Und auch an den Buschenschank meines Freundes Hans Buchbauer.


Wie würden Sie abschließend die politisch-wirtschaftliche Lage von Kärnten einschätzen?

POLLI: Aus meiner Erfahrung ist Kärnten nicht mehr und nicht weniger eines der neun Bundesländer, dass alles Zentrale ablehnt. Vor allem, wenn es von Wien ausgeht. Diese Geisteshaltung zieht sich durch die ganze Politik und Wirtschaft. Das führt zu einem selbst ernannten Isolationismus und einer Selbstgefälligkeit, die heute nicht mehr zeitgemäß ist.

 

Quelle: Kleine Zeitung