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Dr. Gert Rene PolliDer Beitrag beschäftigt sich mit dem Thema Spionage und Spionageabwehr in Österreich. Fast 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg hat Wien als Drehscheibe, insbesondere für die ehemaligen alliierten Geheimdienste, nichts an Bedeutung verloren.

Es wird der Frage nachgegangen, warum Wien nach wie vor diesen Stellenwert hat und wie die in Österreich für Spionageabwehr zuständigen Stellen (fälschlicherweise oft als Geheimdienste bezeichnet) mit dieser Situation umgehen. Beleuchtet wird die Praxis der Zusammenarbeit, nicht nur zwischen den österreichischen, sondern auch mit den in Wien aktiven ausländischen Nachrichtendiensten. Beschrieben wird der Spagat einerseits zwischen der Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern und andererseits der gesetzlichen Verpflichtung, die Spionagetätigkeit in Österreich durch ebendiese Dienste so weit wie möglich zu unterbinden.

Die rechtlichen Grundlagen, insbesondere für die Spionageabwehr, sind so schwach ausgeprägt, dass dies wie eine Einladung zur Spionage interpretiert werden kann. Langjährige Partnerschaften zwischen heimischen Dienststellen und ehemals alliierten Nachrichtendiensten haben heute Abhängigkeiten geschaffen, die auch im Lichte der Snowden-Affäre nicht ganz so leicht zurückzubauen sind.


Einleitung

Am 2. Juli 2013 landete am Wiener Flughafen Schwechat unerwartet die Regierungsmaschine des bolivianischen Präsidenten. Nicht an Bord, wie sich später herausstellte, Edward Snowden; zum damaligen Zeitpunkt der aus der Sicht der USA wohl gefährlichste Mann der Welt – abgesehen von Osama Bin Laden, wenn auch aus völlig unterschiedlichen Gründen. Snowden stand jahrelang im Dienste jener Maschinerie, die den Kampf gegen den Terrorismus nach 9/11 zum Anlass nahm, in Orwell’scher Manier gegen Freund und Feind elektronisch hochzurüsten.

Noch bevor die bolivianische Maschine österreichischen Boden berührte, war das diplomatische Tauziehen um Überflugrechte der bolivianischen Regierungsmaschine zugunsten der U.S.-Interessenslage zu Ende. Italien, Spanien und Portugal und ursprünglich auch Frankreich verweigerten der Maschine nach massiven U.S.-Interventionen die Überflugrechte.

Dem vorausgegangen war ein Schlagabtausch der russischen und amerikanischen Geheimdienste. Laut Informationslage des US-Geheimdienstes CIA hätte sich der NSA-Whistleblower Edward Snowden an Bord befinden müssen. Dieser Einschätzung ging ein ausgeklügelter Operationsplan der russischen Nachrichtendienste voraus, welcher die US Intelligence Community in ihrer Fehleinschätzung vor aller Welt bloßstellte – und zwar in Wien.

Nicht an Bord war Edward Snowden. Wien war 2013 wieder einmal im Fokus einer zentralen nachrichtendienstlichen Operation, diesmal jedoch vor laufender Kamera mit einem weltweiten Publikum. Keiner der österreichischen Nachrichtendienste war bis zu diesem Zeitpunkt involviert oder auch nur in Kenntnis der Umstände.


Paradigmenwechsel nachrichtendienstlicher Arbeit

Ausgehend von den Ereignissen 9/11 und deren Aufarbeitung vollzog sich fast lautlos und fast unbemerkt ein Paradigmenwechsel der nachrichtendienstlichen Arbeit weltweit. Auch die österreichischen Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden sind heute davon unmittelbar betroffen.

George Tenet war CIA-Direktor von Juli 1997 bis Juli 2004. Wie kein anderer CIA-Direktor vor ihm musste er sich mit den Defiziten der US Intelligence Community vor und vor allem nach 9/11 auseinandersetzen. Der Abschlussbericht der sogenannten 9/11 Commission hatte erhebliche Mängel in der Koordination der Intelligence Community aufgezeigt und bisherige Grundsätze und Kooperationsmuster zwischen den Diensten und Behörden infrage gestellt.

Mit Tenet endete damit auch eine fast 60 Jahre währende Ära, in welcher der Direktor der CIA auch gleichzeitig der erste Berater des Präsidenten und des National Security Council war, vor allem aber der Koordinator zwischen den US-Nachrichtendiensten, und somit als Primus inter pares der US Intelligence Community galt. Der Direktor der CIA wurde innerhalb der Intelligence Community entmachtet und durch den Director National Intelligence (DNI) abgelöst. Tenet konnte nicht verhindern, dass es unter der Regierung George Bush und Dick Cheney zu einem bisher nicht gekannten Paradigmenwechsel in der Arbeit der US-Nachrichtendienste kam. Insbesondere die Aufklärungs- und Analysekapazität der CIA wurde rigoros dem politischen Credo der US-Außenpolitik geopfert. Mit anderen Worten: Die Entscheidung für den Golfkrieg war längst gefallen, bevor die CIA ihr Lagebild an die politische Führung übermitteln konnte. Mit diesem neuen Selbstverständnis wurde ein Paradigmenwechsel eingeleitet, nämlich dass die Nachrichtendienste gefälligst jene Beweislagen zu sichern hätten, die der Politik den Rücken stärken.

Einhergehend mit dieser Entwicklung wurde auch die Zusammenarbeit der US Intelligence Community mit ihren weltweiten nationalen Kooperationspartnern, vor allem in Europa, auf eine neue Basis gestellt.

Einerseits erhielt das Thema Terrorismusbekämpfung eine vordergründige Priorisierung in der Zusammenarbeit, was aber noch viel gravierender war, war eine neue Gangart im Umgang mit den bisherigen europäischen Partnerdiensten.

Der Umstand, dass die als Hamburger Terrorzelle bekannte Struktur von deutschen Behörden nicht rechtzeitig erkannt wurde, und auch der Umstand, dass sich Gerüchte verfestigten, Österreich sei ein Ruheraum für terroristische Vorbereitungsaktivitäten zum Nachteil der US-Sicherheit, führte zu erheblichen personellen Verstärkungen des in Österreich stationierten amerikanischen nachrichtendienstlichen Personals. Mit Deutschland und Österreich rückten zwei Staaten in das Zentrum der amerikanischen nachrichtlichen Aktivitäten in Europa, die auf eine lange Tradition bilateraler geheimdienstlicher Zusammenarbeit mit den USA zurückblicken konnten. Was Deutschland und Österreich bis heute gemeinsam haben, ist der nahezu offene nachrichtendienstliche Operationsraum für US-Dienste: in Deutschland aufgrund vertragsrechtlicher Grundlagen überwiegend noch aus der Nachkriegszeit und in Österreich aufgrund historisch gewachsener Zugänge und Abhängigkeiten.

Wie widersprüchlich die Beziehung zwischen der österreichischen und der amerikanischen Intelligence Community ist unterstreicht die Tatsache, dass noch 2003 ein Kupferstich mit Wienmotiv das Büro des CIA-Direktors, George Tenet, zierte, gewidmet vom ehemaligen Leiter des österreichischen Heeresnachrichtenamtes Alfred Schätz. Wie intensiv diese Zusammenarbeit mit US-Dienststellen tatsächlich war und immer noch ist, wurde erst Jahre später – und das auch nur in Umrissen – im Zuge der Veröffentlichungen des US-Staatsbürgers und NSA-Mitarbeiters Edward Snowden bekannt.


Mehr als 20 Jahre nach Ende des Kalten Krieges hat Wien seine Anziehungskraft für ausländische Geheimdienste nicht verloren. Laut Verfassungsschutz-Bericht 2013 „ist Österreich nach wie vor ein bedeutender Einsatzraum für fremde Nachrichtendienste und fungiert als logistischer Knotenpunkt“ und europäische Drehscheibe. Das sind Spekulationen. Doch Fakt ist: Die Zahl der an diplomatischen Vertretungen und internationalen Organisationen stationierten Nachrichtendienst-Offiziere bewegt sich international weiterhin auf überproportional hohem Niveau. Der „Gastgeber“ Österreich wird allenthalben geschätzt für seine Kooperation. Dennoch: Wien ist in diesem Spiel kein großer Player. Kann und will es auch nicht sein. Österreich ist auf dem Feld der Spionageabwehr nur „bedingt abwehrbereit“. Die Disproportionalität zwischen den einheimischen Abwehrbeamten und den hier agierenden Nachrichtenbeschaffern und Operateuren besteht unvermindert weiter.

Die Anzahl der in Österreich tätigen ausländischen Agenten ist den österreichischen Behörden nur dann bekannt, wenn es sich um offiziell akkreditierte Mitarbeiter solcher Behörden handelt. Veröffentlicht werden solche Zahlen nicht. Insider schätzen die Zahl der Nachrichtendienst(ND)-Mitarbeiter auf 2.000 bis 3.000 Personen. Dies inkludiert auch den nicht offiziellen Anteil solcher Strukturen. Offiziell akkreditierte ND-Mitarbeiter, z.B. an bilateralen Botschaften, genießen auch den Schutz der Genfer Konvention und haben somit diplomatischen Status. Solche Mitarbeiter werden schlicht „Verbindungsbeamte“ und derartig eingerichtete Büros Legal-Residenturen genannt. Sie haben die Aufgabe, offizielle Kontakte und auch den Informationsaustausch mit den heimischen Behörden aufrechtzuerhalten. Dieser Informationsaustausch findet seine rechtliche Deckung im Sicherheitspolizeigesetz und für die militärischen Dienststellen im Militärbefugnisgesetz. Der meist wöchentliche, schriftliche Informationsaustausch in Form von Lagebildern, aber auch schlicht Anfragen und die Rückäußerung zu personen- und sachbezogenen Informationen können als Routine nachrichtendienstlicher Zusammenarbeit bezeichnet werden. Offizielle Verbindungsbeamte von ausländischen Nachrichtendiensten werden in aller Regel nur im Ausnahmefall in (unfreundliche) Spionageaktivitäten innerhalb eines Gastlandes involviert.

Die aktuellen Debatten über die NSA-Aktivitäten in Europa lassen den Schluss zu, dass diese nur die Spitze des nachrichtendienstlichen Eisbergs bilden. Registriert sind ja nur die sogenannten Legal-Residenturen – die der Russen, der Amerikaner, der Briten, der Franzosen, der Deutschen, der Italiener etc. Viele derer Aktivitäten bewegen sich ohnehin in Grauzonen. Informationsbeschaffungs-Personal agiert indes auch in Konzernen, Luftfahrtgesellschaften, Medien und in der Telekommunikationsbranche. Die Verbindungsbeamten der großen Botschaften kommunizieren mit den österreichischen Behörden auf dem „internationalen Dienstweg“ jenseits parlamentarischer und anderer Kontrollmechanismen.

Das Thema Spionage oder die Durchführung komplexerer nachrichtendienstlicher Operationen in Gastländern – so auch in Österreich – werden abseits offiziell akkreditierter Strukturen praktiziert. Das kann die verdeckte Einreise einzelner Auftragsträger oder ganzer Teams bedeuten. Ziele sind die in Wien ansässigen internationalen Organisationen oder bestimmte Personen, die zu solchen Konferenzen anreisen, Operationsbesprechungen mit befreundeten ausländischen Partnern oder schlicht das Anwerben und/oder Abschöpfen von Personen aus Politik, Wirtschaft oder aus dem Bankensektor. Im Wesentlichen geht es immer um die Gewinnung von Informationen. Das auch mit Methoden, die unser Strafrecht als Nötigung, Erpressung oder Rufschädigung bezeichnen würde. Der Einsatz von Medien ist die beliebteste Waffe nachrichtendienstlicher Operationsbegleitung.

Diese Fälle kommen jedoch aus unterschiedlichen Gründen nie zur Anzeige und bleiben auch den zuständigen Behörden verborgen. Das Wesen solcher Operationen ist letztlich jedoch nicht nur die Informationsgewinnung, sondern auch die Anwendung solcher Informationen, um dem jeweiligen Auftraggeber einen handfesten Vorteil zu verschaffen. Das Abhören von Kommunikation, der Diebstahl von Betriebsgeheimnissen, die Drohung gegenüber Banken und Finanzinstitutionen, die Erpressung von exportabhängigen Unternehmen oder die simple Ausnutzung mitteilungsbedürftiger Träger öffentlicher Ämter. Das sind die täglichen Methoden nachrichtendienstlicher Arbeit ausländischer Geheimdienste, auch und vor allem, in Österreich. Zeit und ressourcenintensive Spionageabwehr als Prävention für Wirtschaft und Politik findet nur im Ausnahmefall statt.

Die Entwicklung, vor allem der digitalen Möglichkeiten der Dienste nach 9/11 bis zum heutigen Tag, haben die dargestellten klassischen Spionageansätze zugunsten breit aufgestellter technischer Lösungen in den Hintergrund treten lassen. Informationen werden heute – und zwar nicht nur von US-Diensten – von Kommunikationsknoten – mit und ohne Wissen der betroffenen Nutzer, oft auch der Provider – abgeschöpft. Die Auswertung solcher Metadaten erfolgt automatisiert über Algorithmen, also hinterlegter Interessenprofile. Auf dieser Grundlage wird der anschließende Einsatz von Human Resources – wie der Einsatz von Spionen heute genannt wird – punktgenauer und effizienter.

Das von allen politischen Seiten zum Credo der Sicherheitspolitik erhobene Ziel der Terrorismusbekämpfung bietet zwölf Jahre nach 9/11 einen bisher nie dagewesenen Deckmantel für nachrichtendienstliche Aktivitäten und Operationen ausländischer Nachrichtendienste.

Die Ursache, warum solche und ähnliche Ansätze in Österreich bis heute politisch und strafrechtlich ungewürdigt geblieben sind, hat handfeste Gründe:

  • Mit der Aufdeckung oder Unterbindung solcher Operationen geht für politisch Verantwortliche, aber auch für Spitzenbeamte ein nicht kalkulierbares Risiko einher. Man hat für solche ambitionierte Vorhaben auch den Begriff einer „career ending mission“ geprägt.
  • Ein diesbezügliches Aufklärungsinteresse seitens der heimischen Nachrichtendienste ist auch deshalb nicht gegeben, da dem Bundesministerium für Inneres (BM.I) als Sicherheitsbehörde schlicht der „Anfangsverdacht“ fehlt und den beiden militärischen Diensten (im nachgeordneten Bereich des Bundesministeriums für Landesverteidigung und Sport <BMLVS>) ein Mandat, im Inland zu agieren, einfach fehlt.
  • Die plausibelste Erklärung für ein allerseits fehlendes Aufklärungsinteresse liegt wohl darin, dass über Jahrzehnte hindurch Kooperationen selbst forciert wurden, die anerkannte und offizielle österreichische Akteure schlicht als Mittäter ausländischer Spionageaktivitäten auf österreichischem Territorium brandmarken. Die 2013 teilweise öffentliche Diskussion um eine jahrzehntelang geführte Kooperation zwischen der NSA – dem technischen Geheimdienst der U.S – und dem österreichischen militärischen Nachrichtendienst ist dafür wohl bezeichnend.

Nebst der in Österreich fehlenden Ernsthaftigkeit in der Androhung und Umsetzung strafrechtlicher Spionage-Tatbestände (siehe weiter unten), gibt es noch einen weiteren, scheinbar banalen Grund, warum Österreich und vor allem Wien seinen Ruf als Spionage-Hauptstadt weltweit behaupten kann: Wien gilt als Traumdestination für jeden Spion. Dies wird deutlich, wenn man auf die vorangegangenen Karriereschritte der in Wien offiziell stationierten „Spione“ blickt. Nicht selten kommen die Leute aus Verwendungen, die deutlich unruhiger waren, wie Afghanistan, Irak oder aus anderen Krisenregionen. Oder es handelt sich um eine Versetzung nach Wien, um dort dem bevorstehenden verdienten Ruhestand als Spion entgegenzusehen.


Das Echo des Kalten Krieges

Die großen Dienste in Wien leben weitgehend noch immer in der Tradition des Ost-West-Konflikts. Ein Grazer Geheimdienst-Historiker bringt diesen Umstand auf den Punkt: Viele der leitenden Nachrichten-Offiziere sind in den Zeiten des Kalten Krieges „sozialisiert“ worden. Der Dienst in Wien war für nicht wenige Nachrichtenoffiziere das Sprungbrett für die Karriere in die Führungsetagen in Moskau, Washington und London.

Österreich liegt geopolitisch günstig und hält auch an der Neutralität fest. Schon während der Monarchie war Wien Tummelplatz von Agenten, gleichfalls in der Ersten Republik und während des „Dritten Reiches“.

Nach dem Zweiten Weltkrieg – nicht überraschend – setzten sich die Alliierten Dienste in Wien – in der 3. UNO-Stadt – fest. An der Donau gibt es viele internationale „Aufklärungsziele“. Und dazu noch ein „weiches“ juristisches Umfeld. Wer nicht zu viel „Lärm“ verursachte, der konnte in Österreich weitgehend unbehelligt sein Spionage-Handwerk ausüben. Es wundert nicht, dass bis heute der juristische Status der legalen Residenturen nicht geklärt ist.

Die österreichischen Behörden – wie der mit der Spionagebekämpfung beauftragte Verfassungsschutz – sind in der Regel gut über die Aktivitäten der Botschaften im Bilde. Falls nicht gerade Kriminalität im Spiel ist, werden die ausländischen Akteure „neutral“ beobachtet.

Man muss hinzufügen: Die Republik als politisches Aufklärungsziel ist nur selten im Blickfeld ausländischer Dienste. Ganz anders ist dies bei den in Österreich ansässigen internationalen Organisationen, vor allem dem internationalen Kommunikationsverkehr, insbesondere aber bei österreichischen Firmen mit interessanten Exportmärkten. Zentrales Interesse der Dienste in den vergangenen Jahren galt dem österreichischen Bankensektor und seinen Aktivitäten im Ausland, aber auch in Österreich.


Metternichs Erben

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Staatspolizei wieder gegründet. Sie war von Anfang an von den Alliierten Diensten „unterwandert“. Noch Ende der 1960er-Jahre platzten Spionage-Skandale innerhalb der Staatspolizei (STAPO). Sie warfen ein ziemlich grelles Licht auf die österreichische Nachkriegs-Realität. Mit einem Schlag wurde deutlich, wie stark Ministerien und Behörden infiltriert waren. Die Staatspolizei war von Anfang an ein innenpolitisches Minenfeld. Sie war jahrelang eine Art Selbstbedienungsladen für westliche und östliche Dienste. Juristisch arbeiteten die Beamten überdies in einer Grauzone.

Opportunitätsprinzip oder Legalitätsprinzip? Man entschied sich meist für das Motto: „Nur kane Welln“. Ostberlin und Prag infiltrierten die Wiener Gesellschaft, selbst die Stammlokale der Staatspolizisten. Zu dieser Zeit war die Staatspolizei, nicht wie heute, Teil des Ministeriums, sondern der nachgeordnete Teil der Wiener Sicherheitsbehörde. Diese historisch bedingte Situation ist heute noch vielfach der Grund so mancher Disharmonien zwischen dem Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und der übergeordneten Behörde, dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) im BM.I.

Die Politik reagierte erst auf die Infiltration, als sie erkannte, dass die Staatspolizei großflächig aus dem juristischen und politischen Ruder gelaufen war.

Aus den Dokumenten, die der KGB-Überläufer Vasilij Mitrochin nach London brachte, konnte man den Schluss ziehen: Moskau infiltrierte die österreichischen Polizeibehörden bis in die 1980er-Jahre. Die Schwesterndienste des KGB, die Ostberliner Stasi und der tschechische STB waren speziell auf Österreich angesetzt. Wien war bis in die 1990er-Jahre die Drehscheibe für den Hochtechnologie-Handel in den Osten. Der ehemalige KGB-Archivar kam 1992 mit sechs Metallkisten voll mit Dokumenten nach London. Die britischen Behörden informierten 1996 Wien über die Existenz von KGB-Informanten in Österreich – Spuren führten damals bis ins Bundeskanzleramt. Alle Verdachtsfälle wurden sang- und klanglos juristisch „beerdigt“, ebenso in der Bundesrepublik Deutschland.

In dieser Chronik tauchen die Namen hochrangiger Beamter auf. Voran Gustav Hohenbichler, damals Vizechef der Wiener Staatspolizei. Er wurde von Überläufern zweifelsfrei als Mann der Stasi in Wien identifiziert. Kurz vor seiner Verhaftung erlag Hohenbichler einem Krebsleiden. Die Dossiers seiner östlichen Führungsoffiziere wurden indes längst in Moskau in Sicherheit gebracht. Erst dem Leiter der Einsatzgruppe Bekämpfung Terrorismus (EBT) und späteren Leiter der Gruppe C im BM.I, Oswald Kessler, war es gelungen, die EBT und die Staatspolizei in der westlichen Intelligence Community zu verankern.

Die offizielle Geschichte der militärischen Dienste begann 1956. Im Amtskalender war der Dienst anfangs als Nachrichtengruppe eingetragen. Erst 1972 bekam die Gruppe den Status eines Amtes, fürderhin als Heeresnachrichtenamt (HNaA) bekannt. Seine Geschichte war von Anfang an von Mythen und Legenden begleitet. Über einen der späteren Chefs, General Alexander Buschek, kursierte die Fama, er habe aus einer abgestürzten AUA-Maschine bei London brisante Code-Unterlagen „evakuiert“. Er selber konnte über diesen Mythos nur herzlich lachen.

Das politische Erbgut des HNaA war von Beginn an festgelegt: westlich und deutlich pro-amerikanisch und später war es auch der verlängerte Arm des Bundesnachrichtendienstes (BND) – vor allem für das frühere Jugoslawien, während des Balkankrieges. Die CIA bezahlte in der Gründungsphase auch die elektronischen Abhör-Installationen.[1]

Doch auch die Russen verfügten über gute Einblicke ins Innenleben des HNaA. Dem kommunistischen Zentralorgan „Volksstimme“ wurden regelmäßig Interna aus dem Amt zugespielt. Die östlichen Maulwürfe blieben unerkannt.

Das HNaA agierte jahrelang im Schatten der politischen Großwetterlage. Das neutrale Österreich war quasi eine geografische Lücke an der elektronischen Außengrenze der NATO. Die NSA-Debatte in Österreich wurzelt in jener Zeit, da das HNaA am Rande der Neutralitäts-Verletzung für die westlichen Dienste (USA und BRD) in den Südosten hinein lauschte. Doch dies kümmerte niemand im Wiener politischen Establishment.

Und es wäre nicht Österreich: Von Beginn an gerieten Staatspolizei und Heeresdienste unter parteipolitischen Verdacht. So unterstellte die SPÖ, das HNaA sei ÖVP-dominiert. Im Gegenverdacht war die Staatspolizei natürlich „rot“. Nichts ist wirklich bewiesen, aber Gerüchte sind langlebiger als Fakten. Eines der Gerüchte: das HNaA habe den damaligen Finanzminister Androsch abgehört. Die Zäsur für das HNaA kam 1985. Wie nicht anders zu erwarten, gleichfalls im Kielwasser parteipolitischer Intrigen. Das Organisations-Element „Militärische Abwehr“ wurde aus dem HNaA heraus­gelöst und als eigenständiges Abwehr-Amt neu aufgestellt. Der Grund: Am Anfang der Kleinen Koalition (SPÖ/FPÖ) im Jahr 1983 wurde der Verdacht laut, das HNaA habe das Privatleben des Verteidigungsministers Friedhelm Frischenschlager ausspioniert. Er veranlasste die Trennung. Sie wurde von wilden Gerüchten begleitet. Etwa jenem, wonach ÖAAB-nahe Mitarbeiter kistenweise innenpolitisch relevantes Material beiseitegeschafft hätten.

Persönliche Animositäten und Intrigen brachten dann die Arbeit im Abwehramt nahezu zum Erliegen. Doch ein Revier-Konflikt zwischen HNaA und Abwehramt soll nicht unerwähnt bleiben. Die Abwehr kooperierte legal mit den NATO-Abwehrdiensten. Das HNaA durfte dies nicht. Dennoch entwickelte sich das HNaA über lange Zeit zum elektronischen Gehilfen der Amerikaner.

1987 gab es den ersten Einschnitt in die Staatspolizei. Der damalige Innenminister Karl Blecha beendete belastende Intrigen in der Wiener Staatspolizei mit der Gründung der Sondereinheit EBT (Einsatzgruppe Bekämpfung Terrorismus). Die EBT war fortan der operative Arm des staatspolizeilichen Dienstes im Innenministerium. Dies führte zu einer spürbaren Steigerung der Effizienz in der Terror-Bekämpfung. Ein Attentatsversuch auf den Papst in Wien konnte schon in den Anfängen aufgespürt werden. Auch ein Sprengstoff-Anschlag auf die Kuwaitische Botschaft konnte noch in der Planungsphase unterbunden werden. Im Dezember 2002 dann die letzte Totalreform der Staatspolizei unter Innenminister Ernst Strasser. So entstanden das BVT und die Landesämter für Verfassungsschutz. Die alte Staatspolizei ist seit 2002 Geschichte.

Dennoch – und es wär nicht Österreich: Doppelgleisigkeiten und Konkurrenz-Situationen bleiben weiterhin „intakt“. Seitens der Politik wurden nie operative Prioritäten formuliert, das gilt sowohl für HNaA als auch BVT. Auch das BVT musste seit Gründung quasi „freihändig“ agieren bzw. wurde die Arbeit überwiegend von Strafgesetzbuch und Sicherheitspolizeigesetz bestimmt.


 

Nachrichtendienst heute – zwischen Routine und Begehrlichkeiten

Ein Blick hinter die Kulissen der Geheimdienstarbeit in Österreich zeigt, dass sich das Selbstverständnis der ehemaligen alliierten Nachrichtendienste gegenüber den Institutionen der Republik fast 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg wenig geändert hat. Die ehemaligen Alliierten Dienste in Wien deponieren ihre Begehrlichkeiten ständig gegenüber Sicherheitsbehörden und Nachrichtendiensten und ihren Filialen. Günstigstenfalls fordern sie „Gefälligkeiten“ am Rande der Legalität oder übernehmen gleich selbst die Regie, ohne die dafür zuständigen nationalen Stellen überhaupt einzubeziehen. In der jüngsten Chronik des BVT lassen sich einige derartige Vorgänge rekonstruieren. Es gibt westliche Nachrichtendienste, die ihr österreichisches Gegenüber quasi wie ein „Fast-Info-Shop“ behandeln, unabhängig, ob es sich als Ansprechpartner um Dienststellen im BM.I oder BMLVS handelt. Eingefordert werden Kooperationen oder zumindest operative Freiräume.

Werden solche Ansinnen verweigert und/oder rechtliche oder andere Gründe sprechen gegen solche Begehrlichkeiten, dann kann es schon einmal vorkommen, dass in Medien oder bei Parlamentariern eine Intrige gegen die Gefälligkeits-Verweigerer platziert wird. Jedenfalls: Saubere Arbeit im Sinne der gesetzlichen Vorgaben scheint ein Drahtseilakt in Wien zu sein, einem Wien, das mehr als alle anderen europäischen Städte Operationsgebiet ausländischer Dienste ist.

Nicht „abgesprochene“ österreichische Kontakte zu anderen ausländischen Nachrichtendiensten können sich rasch zu einem riskanten Unterfangen auswachsen, auch wenn gerade Österreich historisch gewachsene, ausgewogene Beziehungen zu Krisenregionen unterhält; im Übrigen ist es eine zentrale Aufgabe von Nachrichtendiensten gegenüber Informationen – woher auch immer – aufgeschlossen zu sein. Dies gestaltet sich in Wien als eine „Mission Impossible“, da selbstständige Politik von ehemaligen alliierten Diensten als eine Art „Fahnenflucht“ gesehen wird. Nicht selten werden die Behörden und Dienste unmissverständlich darauf hingewiesen, wo ihr eigentlicher Auftraggeber sitzt. Und das wohlgemerkt fast 70 Jahre NACH dem Zweiten Weltkrieg und als Mitglied in der Europäischen Union.

In diesem innen- und außenpolitischen Minenfeld zu überleben, ist wohl die Königsdisziplin der Verantwortlichen und gleichzeitig auch die weniger schöne Seite der Verantwortungsübernahme geheimdienstlicher Arbeit in Österreich. „Sich nicht bewegen“ scheint vielfach zu einer Überlebensstrategie im Umgang mit ausländischen Diensten geworden zu sein.

Erwähnenswert ist schließlich auch noch der Faktor Parteipolitik. Das Personal, nicht nur der Bundes- und Landesämter, stammt meist aus den Wunschlisten der tonangebenden politischen Parteien. Dieser Umstand hemmt wie kein anderer die notwendige Professionalisierung der Dienste und damit die eigenständige nachrichtendienstliche Arbeit.

Spione – und die Gnade der späten Geburt

Österreich hat nicht erst seit gestern den Ruf, die Spionage-Hauptstadt Europas – manche sagen sogar der Welt – zu sein. Betrachtet man die geostrategische Lage des Landes zur Zeit des Kalten Krieges kann man erahnen, welche Bedeutung dieses Land als „Drehscheibe“ und „Operationsgebiet“ für ausländische Nachrichtendienste hatte und heute noch hat.

 Kann man zeitgenössischen Historikern Glauben schenken, finden sich erstaunlich viele noch lebende prominente Österreicher aus Politik und Wirtschaft in den nach wie vor existierenden Archiven ehemaliger Warschauer-Pakt-Länder. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, neben den existierenden sowjetischen/russischen Unterlagen auch die der kommunistischen Sicherheitsdienste der ehemaligen ČSSR, Ungarn und der DDR zu nennen, waren die ersten beiden doch insbesondere für Österreich „zuständig“. Ein geringer Teil der in diesen Unterlagen geführten Personen werden als ehemalige Informanten oder auch als Agenten (Spione) ausgewiesen. Eine ansatzweise Aufarbeitung dieses Kapitels ist in Österreich, anders als in Deutschland, bisher ausgeblieben. Wie heute allgemein bekannt ist, ist eine nachträgliche Beurteilung solcher Aufzeichnungen äußerst strittig und nur mit äußerster Vorsicht und Fachkenntnissen möglich. Dies auch deshalb, da diese Unterlagen meist lückenhaft und zudem aufgrund des Mangels von Vergleichsmaterialien anderer Dienste nur schwer zu verifizieren sind.

Eines dieser auch für Österreich relevanten Spionagekapitel sind die sogenannten „Rosenholz-Dateien“. Dabei handelt es sich um umfassende mikroverfilmte Aufzeichnungen, zum geringeren Teil um Namenslisten von Informanten und freiberuflichen Mitarbeitern, geführt von der „Hauptverwaltung Aufklärung des Auslandsnachrichtendienstes“ (HVA) der DDR. Das Besondere an diesen Listen ist, dass sie von US-Dienststellen bereits 1990 ausgewertet, aber erst 2003 den deutschen und anderen Behörden zur Verfügung gestellt wurden. Mit den Rosenholz-Dateien hat die Forschung bislang nur wenig gearbeitet, auch wenn diese laut Veröffentlichung der „Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen“ (BStU) seit 2003 „zur wissenschaftlichen Aufarbeitung“ zur Verfügung stehen. Den betroffenen ausländischen Sicherheitsbehörden stehen diese Aufzeichnungen und Unterlagen per Definition nicht zur Verfügung.

 Das Besondere an diesen Dateien liegt im Umstand, dass unter den Leitern der für Spionage zuständigen Behörden die einhellige Auffassung besteht, dass besonders interessante Personen seitens der US-Dienststellen gegenüber den verbündeten Diensten in Europa zurückgehalten wurden, um sie selbst nachrichtendienstlich zu nutzen. Es ist gängige Praxis von Nachrichtendiensten, sich solcher Glücksfälle zu bedienen. Dies gilt natürlich nur für die Zeit, in der solche Personen in interessanten Positionen in ihren Heimatländern verankert sind; sei es nun in Politik oder Wirtschaft. Die Nutzungsdauer solcher freiwillig/unfreiwilligen Mitarbeiter hat jedoch altersbedingt ein Ablaufdatum. Gesagtes gilt bis heute auch für Österreich.


 

Die österreichische Intelligence Community

Als österreichische Intelligence Community gelten die beiden dem BMLVS nachgeordneten Dienststellen „Herresnachrichtenamt“ und „Abwehramt“ (AbwA) und das im Innenministerium direkt angesiedelte „Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung“. Die Rechtsgrundlagen für deren Befugnisse sind bei den militärischen Diensten im Wesentlichen im Militärbefugnisgesetz (MilBefG) und für die im BM.I angesiedelte Behörde im Wesentlichen im Sicherheitspolizeigesetz und im Strafgesetzbuch verankert. Die drei „Dienste“ haben in der österreichischen Rechtsordnung keine eigene Grundlage, sondern sind Organisationseinheiten innerhalb der Geschäftseinteilung und der dort innehabenden Aufgabenstellungen.

Alle drei Ämter arbeiten überwiegend „unabhängig“ voneinander an ähnlichen Themenstellungen. Zu einer Koordinierung von nachrichtendienstlichen Tätigkeiten kommt es nur im Ausnahmefall oder wenn aufgrund gesetzlicher Bestimmungen (Legalitätsprinzip) eine Befassung der im Innenministerium angesiedelten Strafverfolgungsbehörde gesetzlich vorgesehen ist.

Problematisch ist diese Dreierbeziehung aus mehreren Gründen:

  • Erstens finden sich in den Aufklärungsprofilen und im Zuständigkeitsbereich aller drei Ämter zahlreiche Überschneidungen, die von der Terrorismusbekämpfung, Proliferationsbekämpfung, Cyber Security, Personenschutz bis hin zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität reichen. Dies führt regelmäßig zu Animositäten zwischen den Akteuren und hemmt den Informationsaustausch dort, wo er im Sinne der nationalen Sicherheit notwendig wäre.
  • Zweitens sind alle drei Ämter (das AbwA noch am wenigsten) Ansprechpartner derselben ausländischen Nachrichtendienste. Die Animositäten der drei Ämter im Verhältnis zueinander eröffnen den ausländischen Nachrichtendiensten die Möglichkeit, daraus eigene Vorteile zu ziehen. Dies geht mitunter auch so weit, dass österreichbezogene Informationen von einem Amt zum anderen vielfach über den Weg ausländischer Nachrichtendienste erfolgen. Dieser Ansatz wird bis heute exzessiv genutzt.
  • Drittens hat sich das Misstrauen zwischen – generell gesprochen – der Landesverteidigung und dem Innenministerium noch verstärkt, als zwischen 2002 und 2004 der Eindruck entstand, dass die beiden Ministerien zu einem Sicherheitsministerium zusammenfasst werden sollten. Dieser Eindruck wurde durch das Kabinett Ernst Strassers erweckt, jedoch nie ernsthaft in Erwägung gezogen.
  • Legalitätsprinzip versus Opportunitätsprinzip: unter dem Legalitätsprinzip versteht man die Verpflichtung der Strafverfolgungsbehörde, ein Ermittlungsverfahren zu eröffnen, falls sie Kenntnis über eine Straftat erhält. Dieses rechtsstaatliche Prinzip ist der Totengräber nachrichtendienstlicher Arbeit, weil dadurch Ermittlungen im Umfeld von Straftaten enge Grenzen gesetzt sind. Dies führt in der Praxis dazu, dass strafrechtlich relevante Informationen eher selten zwischen Strafverfolgungsbehörden und klassischen Nachrichtendiensten ausgetauscht werden. Noch vor einigen Jahren war eine Zusammenarbeit zwischen CIA und FBI – selbst in terrorismusrelevanten Fällen – undenkbar. Auch der Informationsaustausch zwischen BVT und HNaA folgt diesem Muster.

Es ist innerhalb der jeweiligen nationalen Intelligence Community fast weltweit so, dass Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden in ihrem Verhältnis zueinander in einem Spannungsverhältnis stehen. Dies ist nicht nur darauf zurückzuführen, dass sie im Hinblick auf die immer enger werdenden finanziellen Ressourcen in einem Konkurrenzverhältnis zueinander stehen, sondern hat auch damit zu tun, dass das (sicherheits)polizeiliche Informationsaufkommen oft eine höhere Qualität aufweist, als nachrichtendienstliche Lagebilder. Diese Tendenz spiegelt sich im Verhältnis zwischen CIA und FBI genauso wider wie im Verhältnis Heeresnachrichtenamt und Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung in Österreich.


Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Wien gilt bis heute als Drehscheibe und Operationsgebiet vor allem westlicher ehemaliger alliierter Nachrichtendienste. Die tägliche Arbeit der österreichischen Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste gleicht einer Gratwanderung zwischen Nichtbeachtung durch das politische Establishment und den Begehrlichkeiten ausländischer Nachrichtendienste für eigene Zwecke. Die rechtlichen Grundlagen, insbesondere für die Spionageabwehr, sind so schwach ausgeprägt, dass dies wie eine Einladung zur Spionage interpretiert werden kann. Langjährige Partnerschaften zwischen heimischen Dienststellen und ehemals alliierten Nachrichtendiensten haben heute Abhängigkeiten geschaffen, die auch im Lichte der Snowden-Affäre nicht ganz so leicht zurückzubauen sind.

Inhaltlich und auch strukturell hat das Thema Terrorismusbekämpfung die österreichischen Dienste nach 2002 maßgeblich geprägt. Trotzdem sind Überschneidungen, Doppelgleisigkeiten und gegenseitige Abschottung österreichischer Dienststellen unübersehbar. Gerade dieser Umstand macht es ausländischen Nachrichtendiensten leicht, die österreichischen Behörden und Dienste gegeneinander „auszuspielen“. Trotz allem sind Ansätze einer Zusammenarbeit der österreichischen Nachrichtendienste in einzelnen Teilbereichen zu erkennen, wenn sie auch nicht immer konfliktfrei verlaufen.

Im Hinblick auf Kooperationen unserer „Geheimdienste“ mit der österreichischen Wirtschaft schneiden wir im Vergleich zu unseren Nachbarstaaten schlecht ab. Darin liegt künftig eines der größten Potenziale für unsere Wirtschaft. Das derzeit noch niedrige Profil liegt weniger an der fachlichen Kompetenz der zuständigen Beamten (Proliferation/IT-Sicherheit/Wirtschaftsspionage/Lagebilder/Sicherheitsüberprüfungen etc.), als viel­mehr daran, dass sich die Nachfrage nach Know-how aus der Wirtschaft und aus den Ministerien und anderen öffentlichen Institutionen, gelinde gesagt, in Grenzen hält.

Der Beitrag kommt zur Schlussfolgerung, dass die Reform der einschlägigen österreichischen Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste mangels politischem Interesse auf halbem Wege stecken geblieben ist. Dies trifft vor allem auf ressortübergreifende Modelle einer sinnvollen Kooperation zwischen den angesprochenen Dienststellen zu. Die chronische Unterdotierung und der Mangel an ausreichend qualifiziertem Personal lassen aber für die Zukunft hoffen, dass innovativere, ressortübergreifende Formen der Zusammenarbeit – bis hin zur Zusammenlegung der Dienste – gefunden werden.

 


[1]        Andrew, C./Mitrochin, W., Das Schwarzbuch des KGB 2, Propyläen-Verlag, Berlin 2006.